Höchste Präzision - Margarita Höhenrieder und Kit Armstrong spielen in Feldafing vierhändig am Flügel

"Für gewöhnlich erwarten das Publikum keine künstlerischen Erlebnisse von Ereignischarakter überregionaler Bedeutsamkeit, wenn eine Nachbarschaftshilfe zu Benefizkonzerten einlädt. Nicht so in Feldafing, wo die international renommierte Pianistin und Hochschulprofessorin Margarita Höhenrieder seit 20 Jahren lebt. Aber nicht nur sie verzichtete bei den Musiktagen Feldafing auf die Gage zugunsten des engagierten karitativen Vereins "Jeder für Jeden", sondern auch ihr Gast: Das einst musikalisch-mathematische Wunderkind Kit Armstrong. Die Verbindung kam über Alfred Brendel zustande, den Mentor des heute 22-Jährigen, den ebenso mit Höhenrieder eine Freundschaft verbindet. Dass sich Höhenrieder und Armstrong hier in der schmucken Feldafinger alten Pfarrkirche St. Peter und Paul zu einem vierhändigen Programm an einen erlesenen Fazioli-Flügel setzten, war schon ein besonderes Ereignis und bedurfte auch keiner großen Werbekampagne, um den Kirchenraum gänzlich zu füllen.

Obgleich kein festes Duo, vermochte das ungleiche Paar eine überragende Homogenität und einfühlsam ausbalancierte Interpretationen hervorzubringen. Selbst die wirbelnden Läufe Mozarts, die nicht selten in beiden Stimmlagen parallel zu verlaufen haben, perlten hier einhellig in höchster Präzision und klarer Disposition der Stimmen. Ob im Sonatenfragment G-Dur KV 357 oder in der F-Dur-Sonate KV 497: Mozarts Leichtigkeit verlor trotz der vierhändigen Anlage nichts an galanter Klangschönheit und bisweilen filigraner Feingliedrigkeit. Wie auch überhaupt das Duo sehr auf geradezu asketische Stimmführung und Transparenz setzte. Dennoch verfügte es immer noch über ein reichhaltiges Material zur Differenzierung, wie es etwa in den Variationen der liedhaften Thematik im Andante KV 357 üppig zum Einsatz gelangte. Schon bei Mozart überzeugten Höhenrieder in der Oberstimme und Armstrong darunter mit wirkungsvollen Inszenierungen der werkimmanenten Emotionen. Im Andante der F-Dur-Sonate war es ein balladesker Ansatz, mit dem Narration und lyrischer Gesang den Ausdruck formten.

Das expressive Moment sollte bei Schubert eine größere Rolle spielen. Und hier begeisterte das Duo mit einer überaus plastischen Formung, intensiviert mit einem feinsinnig und behutsam erspürten Rubato. In sechs ausgewählten Stücken aus "Polonaises" op. 61 und "Six Grandes Marches et Trios" op. 40 ging es zunächst eher weniger um Emotionen, als vielmehr um eine schlüssige Verbindung zwischen Abschnitten straffer tänzerischer Attitüde und bei Rücknahme der rhythmischen Schärfe lyrisch-liedhafter Ausprägungen. All diese Finessen und technisch bravourös umgesetzten Kunstgriffe kulminierten schließlich in Schuberts Fantasie f-Moll op. 103. Dieses Schlüsselwerk aus dem Todesjahr des Komponisten gewährt einen tiefen Einblick in die leidende Seele des Komponisten. Die Zerrissenheit zwischen Verzweiflung und Hoffnung in einem rhapsodischen Auf und Ab der Emotionen zeichneten Höhenrieder und Armstrong mit einer frappierenden Kargheit, die der Einsamkeit des Desillusionierten kaum eindringlicher hätte Ausdruck verleihen können. Auch substanzvolle Ausbrüche blieben transparent, konzertante Dramatik gänzlich untheatralisch. In einer Wanderung von lieblicher Romantik über stürmische Wogen bis hin zu stillen Gebeten und düsteren Rücknahmen führte das Duo ein bewegendes Finale herbei. Frenetische Ovationen und eine Schubert-Polonaise in der Zugabe."

Reinhard Palmer, Süddeutsche Zeitung, 15.07.2014

 

 

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